Da geht noch was…

Seit meinem Start in Roth sind jetzt rund drei Wochen ins Land gegangen. Zeit für ein erstes Resümee und einen kurzen Ausblick, was ich dieses Jahr noch so vor habe.

Rückblick:

Lucy Charles benötigte für ihre erste Langdistanz weit über 12 Stunden. Ein Jahr später verbesserte sie ihre Bestzeit bereits um über eine Stunde.
Nur fünf Jahre nach ihrem ersten Ironmanstart gewann die Ausnahmeathletin in diesem Jahr die Challenge Roth und ist seit diesem beeindruckenden Rennen mein großes Vorbild. Lucy ist hübsch, jung, erfolgreich und kann wohl bereits jetzt vom Triathlonsport ganz gut leben.
So schnell schwimmen wie Lucy werde ich sicherlich nie. Für ihre herausragenden Schwimmleistungen ist wohl ihre Vergangenheit als Leistungsschwimmerin verantwortlich. Selbst namhafte Männerprofis beißen sich an ihr – zumindest bei der Auftaktdisziplin – regelmäßig die Zähne aus. Auch beim Radfahren und beim Laufen werde ich ihr wohl kaum das Wasser reichen können. Da bin ich realistisch.
Lucy ist nur drei Jahre älter als ich und bereits jetzt wird sie als Mitfavoritin auf den Hawaii-Sieg im Oktober gehandelt. Das imponiert mir ungemein.

Was mich für meine persönliche Entwicklung optimistisch stimmt ist die Tatsache, dass ich meine erste Langdistanz in Roth mit 9:45 Stunden über zwei Stunden schneller gefinisht habe, als Lucy ihren Premierestart vor fünf Jahren.
Was mich weiter optimistisch stimmt ist die Tatsache, dass meine Vorbereitung für Roth nicht wirklich optimal lief. Hüftschmerzen verhinderten in den letzten vier bis sechs Wochen vor Roth eine geregelte Vorbereitung beim Laufen. Eigentlich meine Paradedisziplin und meine Laufzeit von 3:33 Stunden ist sicherlich noch nicht das Ende der Fahnenstange.
Da geht noch was.
Kleinere (Fort-)Schritte kann es auch beim Schwimmen noch geben. Zu hoch wäre allerdings der Aufwand, um hier kurzfristig noch richtig Zeit gegenüber den anderen Mädels gut zu machen. Da ist es wesentlich einfacher, auf dem Rad noch eine Schippe drauf zu packen. Das Radfahren bereitet mir aktuell sowieso die größte Freude.

Grundsätzlich kann ich für mich festhalten, dass ich auch Langdistanz kann. Sicherlich mit Luft nach oben. Es ist noch ordentlich Potential vorhanden, es ist in jeder einzelnen Teildisziplin noch eine Verbesserung möglich und so soll es ja auch sein.
Da geht noch was.
Somit steht einem Start bei einem Qualifikationsrennen nächstes Jahr für die WM auf Hawaii 2020 nichts mehr im Wege.

 

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Ausblick:

Eigentlich wollte ich nächstes Wochenende beim Frankfurter City Triathlon wieder ins Renngeschehen einsteigen. Zwar nur über die Olympische Distanz, aber dennoch hätte das ein ernstzunehmender letzter Test in Hinblick auf die 70.3 WM in Nizza sein sollen. Hätte – Konjunktiv. Da meine Hüfte noch nicht wieder 100 prozentig fit ist, werde ich auf einen Start in Frankfurt verzichten. Dieser Verzicht fällt mir unglaublich schwer, da ich mich auf dieses Rennen total gefreut habe und dort bei der 10-jährigen Jubiläumsveranstaltung gerne meinen Sieg vom Vorjahr verteidigt hätte. Oft ist aber ein Schritt zurück nötig, um wieder weitere Schritte nach vorne machen zu können. Auch wenn es total schwer fällt die Beine still zu halten und die Laufschuhe im Eck stehen zu lassen, werde ich alles Nizza unterordnen und nichts riskieren, was einen Start Anfang September an der Cote d’Azur gefährden könnte. Schließlich ist Nizza nicht irgendein Bockwurstrennen, sondern die erste Weltmeisterschaft, an welcher ich teilnehmen darf und somit für mich etwas ganz besonderes. Wohl mit am Start: Mein großes Vorbild Lucy Charles.

Ich hoffe, da geht noch was.
Eure Luisa

Challenge Roth: Schmerzen ganz viel und leider immer mehr!

Der Renntag bei einer Langdistanz beginnt früh. Um 3.00 Uhr klingelte der Wecker. Die Nacht war kurz. Meine Nervosität hat mir einige Schlafstunden geraubt. Nach dem Frühstück schnell den Kreislauf in Schwung gebracht und die Rennverpflegung angerührt. 1,5 Liter Hochkonzentrierte Kohlenhydrate verteilt auf zwei Radflaschen. Das war mein Proviant für die Radstrecke. Dann noch kurz die Startnummer auf den Unterarm geklebt. Einfach geil! Danach ging es auch schon Richtung Schwimmstart. Überall Athleten und Zuschauer, welche aus allen Himmelsrichtungen kommen und nur ein Ziel haben: Die Wechselzone am Schwimmstart. Dort galt es nur noch das Rad kurz zu checken, aufzupumpen und die Verpflegung zu verstauen. Kurz vor dem ersten Start der Profis ein Regenschauer. Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet. Ruhe vor dem Sturm. Dann Musik. Verschiedenste Nationalhymnen wurden angespielt. Die sonst üblichen Heißluftballons am Kanalufer wurden heute leider aufgrund des Regens nicht angefeuert. In Roth immer eine perfekte Inszenierung. Tausende Zuschauer am Kanalufer und auf der Brücke.

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Eine wirklich gelungene Überraschung von meinem Partner kuk24 : Mein Logo auf der Brücke!!!

Triathlon Emotionen pur. Jetzt ist endlich der Zeitpunkt gekommen, wofür ich die letzten Monate trainiert habe.

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Unser erstes Familienbattle auf der Langdistanz ging leider an Papa

Pünktlich um 6:30 Uhr erfolgte der erste Countdown zum Start der Profis. Nach und nach wuselten immer mehr Starter in den Startbereich. Die verschiedenen Startgruppen (jeweils ca. 200 Starter) konnte man an den unterschiedlichen Farben der Badekappen ausmachen, welche alle fünf Minuten ins Rennen geschickt wurden. Geschwommen wurde wie immer in Roth mit Neoprenanzug. Also das übliche Bild der „Schwarzmänner“ in der Wechselzone.Mit der siebten Startgruppe um 7:05 Uhr war auch ich endlich an der Reihe. Countdown und los. Mit dem Startschuss war auch die Nervosität verflogen.

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Der Frauenstart um 7:05 Uhr … endlich!

Jetzt hatte ich Zeit, mir noch einmal die Ratschläge von meinem Trainer und von Papa durch den Kopf gehen zu lassen. „Beim Schwimmen nicht verausgaben und möglichst die Kräfte im Wasserschatten vorausschwimmender Athleten schonen“! Es galt zwei Wendepunkte zu passieren. Der erste Wendepunkt kam bei etwa 1,5 Kilometer, der zweite 400m vor dem Schwimmziel. Bereits nach kurzer Zeit hatte ich einige langsame Schwimmer aus vorherigen Startgruppen passiert.Wann hat man sowas? Während der gesamten Schwimmstrecke Zuschauer entlang des Kanalufers. Kurz vor dem Schwimmausstieg sah ich wieder die Menschenmassen auf der Brücke. Hier können die Zuschauer zuerst beim Schwimmen und dann durch eine 180 Grad Drehung auf den ersten Metern beim Radfahren zuschauen. Nach 58:04 Minuten hatte ich das Schwimmen über 3,8 km im Main-Donau-Kanal beendet.

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Die Schwimmerin unter der Boje, das bin ich, auf dem Weg zur zweiten Wende!

Auch beim Schwimmausstieg tobende Zuschauermengen. Einfach geil! Nachdem ich meine Wechseltüte geschnappt hatte, ging es ins Umkleidezelt.Aufgrund der langen Strecke hatte ich mich dazu entschieden, bequemere Radschuhe und mit Socken zu fahren und diese bereits im Wechselzelt anzuziehen. Startnummer an, Helm und Sonnenbrille aufgesetzt, ging es ab aufs Rad. Die 180 Kilometer waren auf zwei Runden zu absolvieren. Das hat für die Zuschauer den Vorteil, dass sie die Athleten auf dem Rad mindestens zweimal sehen. Für uns Athleten hat die Strecke den Vorteil, dass wir die Anfeuerung der Zuschauer in den zahlreichen Stimmungsnestern zweimal genießen konnten. Auch das Highlight, der Solarer Berg, war somit zweimal zu genießen. Einfach gigantisch und mit Worten nicht zu beschreiben was da abging.

Solarer Berg

Zuschauermengen, wie sie der Fernsehsportler höchstens von der Bergankunft bei der Tour de France kennt. Und Party für alle – nicht nur für die Profis, sondern auch für die Altersklassenathleten. Das macht diesen Sport so einzigartig. Als es nach der zweiten Runde Richtung Roth ging hatte ich mir vorgenommen, mich bereits auf dem Rad fürs Laufen vorzubereiten. Kleine Gänge wurden gespult und die Waden – und Oberschenkelmuskulatur gedehnt, soweit das eben auf dem Rad ging.

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Dauergrinsen am Solarer Berg

Nach 5:09:46 Stunden für die 180 Kilometer folgte der Wechsel zum Laufen mit dem ungewohnte Gefühl, nach langer Zeit sein Körpergewicht wieder selber tragen zu müssen. Ein Tanz wie auf Eiern. Heute hielt dieses Gefühl einige Zeit an und der Laufstil wurde erst nach einigen Kilometern runder bzw. besser. „Nur nicht zu schnell los laufen“ war mein Plan und „an jeder Verpflegungsstation etwas trinken und den Körper kühlen“! Das war heute auch nötig. Wohl keine Hitzeschlacht wie in der Vorwoche in Frankfurt, aber durch meine Verletzung hatte ich die drei Wochen vor Roth jeweils nur fünf Laufkilometer. Das macht sich eben bei einem Marathon ganz schnell bemerkbar. Anfangs konnte ich immer mehr Plätze gut machen, mich weiter nach vorne arbeiten, was natürlich unglaublich motiviert. Es war wirklich ein komisches Gefühl, auf den Moment zu warten, an dem dann nichts mehr geht. Dieser Moment bleibt wohl nie aus und kam dann bei mir bereits ab Kilometer fünfundzwanzig. Ich hatte mich im Vorfeld Mental damit auseinandergesetzt, dass solche Momente kommen. Wann und wie lange diese andauern bzw. wie oft ich diese durchleben darf – das stand auf einem anderen Blatt. Dass es schon so früh so hart wird musste ich erst verarbeiten. Ein Marathon ist hart – auch ohne davor geschwommen und Rad gefahren zu sein. Ein Marathon bereitet immer Schmerzen. Auch das wusste ich. Aber ich wusste auch, dass nach jedem Tiefpunkt auch wieder ein Hoch kommt und so habe ich mich mit positiven Gedanken motiviert. „Ich habe schon 30km“ hört sich doch besser an als „ich muss noch zwölf“. Eine Langdistanz wird im Kopf entschieden. Keine Floskel, sondern die reine Wahrheit!

Laufstrecke Roth

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, auf der Laufstrecke auch mal für einige Zeit an nichts zu denken, einfach zu laufen. Weiter immer weiter und einen Fuß vor den anderen. Beim „nichts denken“ unterbrochen wurden ich immer wieder von den vielen Zuschauern und von entgegenkommenden Athleten, welche mit „Luisa“- Rufen meinen Meditationszustand unterbrachen und für Abwechslung sorgten. Langweilig wird es in Roth nie. In Momenten als es mir schwer fiel, habe ich mich damit motiviert, dass es irgendwann allen Startern so geht. Mit zunehmender Renndauer sah ich immer mehr Athleten, welche Gehpausen einlegten. Für mich ein völlig neues Gefühl, auch Kilometer mit sechs Minuten und mehr zu haben. Dann stopft man sich ein Gel nach dem anderen in den Rachen, spült mit Cola nach und versucht den Motor wieder zum Laufen zu bringen. Aber nach einem Tief folgt bekanntlich ein Hoch …. Auch auf der Marathonstrecke waren immer wieder tolle Stimmungsnester mit hunderten Zuschauern. Überall Party und ich mittendrin. Unbeschreiblich motivierend und einfach geil. Ab Kilometer 25 verlässt man das Kanalufer endgültig und macht sich auf den Weg nach Roth und weiter zur letzten Wende bei Kilometer 36 hoch in Büchenbach. Das tat richtig weh. Danach geht es wieder zurück nach Roth. Endlich. Schon von weitem hörte man den Stadionsprecher. Den kurz darauf folgenden Zieleinlauf über den roten Teppich ins traumhafte Stadion werde ich wohl niemals im Leben vergessen. Meine Marathonzeit von 3:33 Stunden war dann wirklich viel länger als ich mir das im Vorfeld vorgestellt hatte, aber ich habe es geschafft. Meine erste Langdistanz ist gefinished.

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Endlich: Der rote Teppich kurz vor dem Einlauf ins Stadion

Mit meiner Endzeit von 9:45:33 Stunden konnte ich den Sieg in meiner Altersklasse erreichen und war 21. Frau (von knapp 500) in der Gesamtwertung. Am Abend ging es noch zur obligatorische Finisherparty mit Feuerwerk. Einfach mega! Als dann der Gesamtsieger den letzten Finishern die Medaillen umhängte, war es um mich geschehen. Emotionen pur. Einfach geil. Fragt mich bitte nicht, wie lange ich gebraucht habe, die Treppen der Tribüne wieder runter zu kommen……und noch viel schlimmer: Wie komme ich morgen bei er Siegerehrung aufs Podium rauf?

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Für die Siegerehrung habe ich dann doch noch irgendwie die Treppe auf die Bühne geschafft…

Ergebnisse hier!